Pandemische Spuren

von Quirin Pusch

 

Ich habe das Corona-Virus weder verleugnet noch verharmlost. Lediglich mein persönliches Risiko stufte ich als relativ gering ein.

Es sei ein neuartiges Virus, die Bevölkerung folglich „immunologisch naiv“ (Drosten). Sie habe also bisher keinen Kontakt damit gehabt, sei ungeschützt. Laut Robert-Koch-Institut verliefen im Frühjahr 2020 achtzig bis fünfundachtzig Prozent der Ansteckungen symptomlos.

Neuartig, immunologisch naiv, ungeschützt, symptomloser Verlauf?

Ich bin kein Mediziner.

 

Mir stellten sich Fragen.

Und ich erschrak über die Infragestellung von Grundrechten.

 

Wer wollte den Politikern 2020 einen Vorwurf machen. In unübersichtlicher Gemengelage Entscheidungen treffen – sie können nur verlieren.

Erstaunlich, so früh auf die Impfung als Heilmittel zu setzen. Drosten war skeptisch. Eine Impfstoffentwicklung dauert normalerweise zehn Jahre. Selbst bei Zulassungserleichterung rechneten Experten nicht vor zwei Jahren mit einem brauchbaren Stoff.

Warum der (finanzielle) Fokus auf eine Impfung (Prävention) statt auf Behandlung (Therapie)?

An der mRNA-Technologie wird seit zwanzig Jahren geforscht. Warum gab es in diesem Zeitraum kein brauchbares Medikament auf mRNA-Basis? Wir kennen die Pharmabranche: Was rentabel erscheint, wirft sie auf den Markt.

Anscheinend sind die Nanopartikel, die als RNA-Träger und Zellschlüssel fungieren, problematisch. Studien wurden stets in der klinischen Testphase eingestellt, weil es zu umfangreichen und schweren Nebenwirkungen gekommen sei.

Lauterbach äußerte sich im Juni 2020 im Gespräch mit John E. McDonough (Harvard) zu den mRNA-Stoffen skeptisch: Sie hätten bei Menschen nie funktioniert („they have never worked“).

Ich bin kein Pharmazeut.

 

August 2021. Ich erwog die Impfung. Ein betagter Bekannter erzählte mir von seinen zwei Wochen anhaltenden neurologischen Nebenwirkungen („Betonbeine“). Ich wurde unsicher. Würden mich bei meiner neurologischen Vorerkrankung massivere Probleme erwarten? Ich schob die Entscheidung auf.

Im Familienkreis kam es zu weiteren, andauernden Nebenwirkungen.

 

Herbst/Winter 2021, die Impfkampagne nahm an Fahrt auf. Israel hatte im Juni trotz Zweifachimpfungen exorbitante Inzidenzen. Lauterbach zeigte sich darüber beunruhigt. Eine Woche später fiel er in den Chor der Impfapologeten ein. Ab Oktober wurde keine Pressekonferenz ausgelassen, um zu warnen – und den Ungeimpften die Verantwortung für überfüllte Intensivstationen, gar für die pandemische Notlage zuzuschieben. Spahn, Wieler, auch der Bundespräsident Steinmeier suggerierten mit der „Pandemie der Ungeimpften“, die Pandemie wäre längst beendet, wenn alle geimpft wären. Montgomery sprach am 8. November von der „Tyrannei der Ungeimpften“ und empfahl, Ungeimpfte selbst für ihre Behandlung aufkommen zu lassen. Schließlich seien die Ungeimpften für das überforderte Intensivpersonal verantwortlich.

Erstaunlich war: Die DIVI (Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin) offenbarte am 15. November 2021 im Corona-Ausschuss des Bundestages (!), dass sie den Impfstatus der Intensivpatienten überhaupt nicht erhebe. Das ist erst seit dem 14. Dezember 2021 der Fall (Screenshot).

Woher also die Gewissheit, die Intensivstationen liefen vor Ungeimpften über?

 

Die Einlassung der DIVI blieb unbeachtet. Am 19. November bot die öffentlich-rechtliche tagesschau Sarah Frühauf die Bühne für eine sarkastische Anklage der Ungeimpften. FDP-Politiker schrammten auf twitter mit ihrer Forderung, Ungeimpfte rigoros gesellschaftlich auszugrenzen, knapp an Formulierungen von „Volkskörperfeinden“ vorbei. Andere sekundierten Montgomery und stellten das basale Solidaritätsprinzip infrage.

Der soziale Ausschluss kam.

Ich durfte meine Arbeitsstätte nicht mehr betreten. Ich durfte öffentliche Verkehrsmittel nicht mehr nutzen, von öffentlichen Freizeitangeboten gar nicht zu reden. Ich wurde vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen.

Israel zeigte, dass trotz Zweifachimpfung das Virus weiter grassiert.

Zu den überfüllten Intensivstationen mit Ungeimpften fehlte die statistische Grundlage.

Ungeimpfte wurden als schuldig am Lockdown verunglimpft.

Demokratiekonform?

Ich bin kein Jurist.

 

Eine „Krankenhausampel“ wurde eingeführt, weil die Inzidenzen allein nicht aussagekräftig seien. Die Bettenbelegung in Krankenhäusern und auf Intensivstationen sollte Gradmesser für Eingriffe sein. Mit zunehmender Auslastung verschärften sich die Maßnahmen. Bei Rot: Lockdown.

Er kam. Ging aber nicht.

Die Krankenhausampel zeigte vor Weihnachten Gelb. Lockerungen blieben aus. Denn die Ampel war abgeschafft worden. Heimlich! Und wieder zugunsten der Inzidenz. (nordbayern.de)

Eigentlich hätte aufmerksamen Bürgern – und Journalisten – auffallen müssen, dass Holetscheks Forderung Anfang Januar 2022 nach einer Krankenhausampel ein Widerspruch war: weil er etwas forderte, was offiziell noch immer in Kraft war.

 

Im Januar 2022 überstiegen die symptomatischen Fälle unter Geimpften erstmals diejenigen unter Ungeimpften. (RKI-Wochenbericht)

Um „Impfmuffel“ von der Impfung zu überzeugen, wurde Novavax als Totimpfstoff beworben. Die Zulassung des klassischen Totimpfstoffes von Valneva verzögerte sich. Die EU drängte trotz guter Studienergebnisse auf weitere Erhebungen und reduzierte ihre Bestellmengen.

Dagegen hatte die EMA noch im Vorjahr (Oktober bzw. November) die Weiterverwendung der bedingt zugelassenen Stoffe von Moderna und BioNTech um ein weiteres Jahr genehmigt – obwohl die Hersteller nicht wie verpflichtet ihre Studienergebnisse nachgereicht hatten.

Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde (FDA) musste gar gerichtlich dazu gezwungen werden, die Bewertungsdaten zum Pfizer-Serum zu veröffentlichen, die sie fünfundfünfzig Jahre, bis 2076, unter Verschluss halten wollte.

Warum sind Corminaty und Moderna noch keine regulär zugelassenen Stoffe, nachdem der globale Feldversuch so erfolgreich lief?

(BioNTech selbst zweifelte im Jahresbericht für die Aktionäre an der regulären Zulassung.)

 

Mir stellten sich viele Fragen. Und obwohl es medial kein anderes Thema zu geben schien, blieben sie unbeantwortet.

Ich fühlte mich enttäuscht, manchmal auch getäuscht.

DIE ZEIT warf 2020 Sucharit Bhakdi in einen Topf mit dem radikalen Attila Hildmann. Bhakdis Thesen mögen unseriös sein. Ich hätte mir eine Auseinandersetzung mit ihnen gewünscht; keine Verunglimpfung.

Ebenfalls 2020 berichtete DIE ZEIT von einem Corona-Notfallkrankenhaus, das innerhalb von fünf Wochen in Berlin hochgezogen wurde. Als das Gespenst überfüllter Krankenhausstationen die Runde machte, hätte diese Auffangstation Bezugspunkt sein können. Die Journalisten nutzten ihre Kontakte zum Koordinator nicht.

Bill Gates äußerte im April 2021 in einem Interview mit der ZEIT, dass impfkritische Beiträge in den sozialen Medien gelöscht würden. Dem Interviewer war das keine Nachfrage wert.

Im Dezember 2021 sinnierte Maja Becker in einem Artikel über den fördernden Einfluss der neoliberalen Mont Pèlerin Gesellschaft und des Atlas Networks auf die Impfskepsis. Sie übersah, dass Pfizer zu den Hauptgeldgebern des Atlas Networks gehörte. Mein Leserbrief blieb unbeachtet.

Mir drängten sich Fragen auf. Den Journalisten offenbar nicht.

Die Demokratie scheint stets nur von rechts in Gefahr zu sein.

Ich bin kein Journalist.

 

Februar 2022. Wir haben Corona. Erhöhte Temperatur, Gliederschmerzen, Halsweh. Kurieren uns innerhalb einer Woche aus.

 

14. März 2022. Lenas Cousine, 39 Jahre, lässt sich gegen den Rat der Familie boostern. Anders könnte sie ihre Mutter im Krankenhaus nicht besuchen.

Der kleine Pieks verursacht Schmerzen. Die Cousine fühlt sich nicht gut. Der Arm schwillt an, schmerzt. Sie schläft schlecht. Der Ehemann lässt sie ausschlafen. Er schickt das älteste der drei Kinder nach oben, als das Frühstück fertig ist. Es soll die Mama wecken. Der Sohn, 11 Jahre, kommt zurück: Die Mama wache nicht auf. Der Mann geht rauf, rüttelt an seiner Frau. Ihre Gesichtshälfte ist blau angelaufen.

Die Rettung ist ausgeschlossen.

Die Staatsanwaltschaft verweigert am nächsten Tag telephonisch (!) die Obduktion. Sie sei nicht notwendig.

Die Familie legt zusammen, bezahlt die Sektion aus eigener Tasche.

Der Obduktionsbericht bestätigt: Impfung als Todesursache.

 

März 2022. Die Todeszahlen Geimpfter und Ungeimpfter liegen gleich auf. (RKI-Wochenbericht)

 

April 2022. Mir wird das Gehalt gekürzt. Ich sitze auf abzuarbeitenden Minusstunden im Wert von über €4000,-. Arbeite zehn, manchmal zwölf Stunden täglich. Glück im Unglück: Sehe meine Familie noch.

Die geimpften Intensivpatienten übersteigen die Zahl der ungeimpften Intensivpatienten. (RKI-Wochenbericht)

 

Juni 2022. Der Impfstoff von Valneva wird zugelassen. Der lang ersehnte Impfstoff, um die letzten Impfskeptiker zu überzeugen.

Ich vermisse eine breite Berichterstattung, ich vermisse eine breit angelegte Werbekampagne.

Ich bin kein Werbefachmann.

 

Juli 2022. K. muss operiert werden. Folgeerscheinung ihrer Corona-Infektion – trotz Impfung.

S. leidet – trotz Impfung – an Long Covid.

Ch. erkrankt – trotz Impfung. Leidet Wochen danach noch an...

Sch. erkranken.

K. erkranken.

Die Ungeimpften kehren nach einer Woche wieder. Die Geimpften fallen zwei oder drei Wochen aus.

Die Fälle entsprechen meinen Beobachtungen.

Meine Beobachtungen sind nicht repräsentativ.

Aber sie hinterlassen Spuren.

 

Alles geplant, abgekartet, abgesprochen?

Ich bin kein Verschwörungsideologe.

 

Demokratien können jederzeit entgleisen. Es braucht nur einen halbwegs triftigen Grund.

 

 

 

16. Oktober 2022