Bewerbungsgespräch

Fantaisie d'un faune à l'après-midi

Herr M. ist Leiter eines kleinen Unternehmens, in dem er ein kollegiales Verhältnis zu seinen Mitarbeitern pflegt. Er erzählte mir, dass eine Angestellte einmal ein sehr farbenfrohes und ausdrucksstarkes Kleid anhatte. Seine perfide Männlichkeit machte keinen Hehl aus der Bewunderung dafür: geglättete Stirn, leicht gehobene Mundwinkel. Gesagt hatte er allerdings nichts.

Frau N. hatte jedoch den Gesichtsausdruck bemerkt, lächelte und rief  heiter: "Sieht gut aus, was?"

Angesichts der Unternehmenskultur war es nicht unangemessen, ihn so anzusprechen. Was Herrn M. aber schockierte, war seine unberechenbares männliches Naturell. Er verurteilte den Faux-Pas, seine Gesichtsmuskeln nicht besser kontrolliert zu haben, und reagierte streng:

"Frau N., Ihre Kleidung spielt überhaupt keine Rolle. Sie überzeugen durch Ihre Qualifikation und Kompetenz, dafür schätze ich Sie und zolle Ihnen meinen höchsten Respekt!"

 

Durch sein Erlebnis nachdenklich gemacht, begann ich zu überlegen, wie man der sexistischen männlichen Natur ein Schnippchen schlagen und ihr schon in Bewerbungsgesprächen zuvorzukommen konnte. Man könnte Trennwände, eine Art Paravent, aufstellen. Die Unternehmensleitung sitzt auf der einen, die Bewerber auf  der anderen Seite. Durch einen Stimmenmodulator wird deren Stimme zur Uneindeutigkeit verzerrt. So ist gewährleistet, dass sich alle voll und ganz auf die Qualifikation konzentrieren. Und auf diese Weise wird auch das Gehalt ausgehandelt. Frauen wird nicht mehr niedriger angesetzt. Die bisherige Lohnungleichheit wird quasi en passant ausgeglichen.

 

Herr M., ebenso fiktiv wie die Geschichte hier, vertraute mir noch an, dass er schon seit Wochen nicht mehr mit seiner Frau geschlafen hatte. Er fürchtete, sein Begehren würdige sie herab. Anfangs hatte er seine Frau beim Geschlechtsverkehr noch konsequent geküsst, damit er den Akt nicht nur auf die Geschlechtesorgane reduzierte. Doch das machte die Frau ganz missionarrisch.