Ukraine-Konflikt II

 

Inzwischen stecken wir so weit in der Kriegsrhetorik, dass die Anfänge der Ukraine-Krise vollkommen ausgeblendet werden. Putin wird die alleinige Eskalation des Konflikts zugeschoben, die Intervention der USA auf dem Maidan (Bsp.: McCain verteilte Brötchen) oder die Präsenz von US-amerikanischen Söldnertruppen war nie wieder Thema – wenn sie überhaupt je einmal Anlass zur kritischen Berichterstattung gaben.

Europa, letztes Jahr mit dem Friedensnobelpreis geadelt, hat versagt. Es hat Russland nie als ebenbürtigen Partner, ja vermutlich überhaupt nicht als Partner, begriffen. Um Verständnis des großen östlichen Nachbars hat es sich nie tiefgreifend bemüht. Kalte-Kriegs-Schlagzeilen konnten in den Medien jederzeit unhinterfragt kursieren und es wurden Klischees herangezogen, wo sie die eigenen Ressentiments bestätigten. Pussy-Riot werden als Freiheitskämpfer stilisiert. Warum ist bisher noch keine Einladung der Bischofskonferenz an die Gruppe ergangen, ihre Lieder in deutschen Kirchen zu singen?

Die Ängste und Sorgen wie auch Bedürfnisse und Wünsche Russlands hat der Westen kaum beachtet. Dass der Zusammenbruch eines Systems, sollte es auch diktatorisch gewesen sein, traumatisiert, ging in Westeuropa im Optimismus eines erfüllten Freiheitswunsches wohl unter. Dass die russischen Menschen, wie die Polen und die baltische Bevölkerung Schutz suchten, ebenfalls von Europa geachtet werden wollten, auch das scheint bei uns nicht wirklich wahrgenommen worden zu sein.

Im Gegenteil kursiert das Bild des undisziplinierbaren Russlands. Undisziplinierbar, weil nicht mit unseren Vorstellungen konform. Dass Russland als eurasischer Staat tatsächlich anders ist, womöglich eine eigene Mentalität zwischen Europa und Asien entwickelt hat, sodass es nicht einfach in das europäische Denken integrierbar ist, scheint ebenso wenig jemand zu vermuten. Was aber nicht nach unserem Muster denkt, auszuschließen, im Sinne von ganz oder gar nicht, diskreditiert die europäische Friedenspolitik. Immerhin tut sich Europa schwer, die eigenen Nationen unter einen Hut zu bringen. Den Zusammenhalt auf einem Feindbild Russland aufzubauen, macht die Sache nicht besser.

Wo ich Kalkül der Politiker in der Aufrechterhaltung west-östlicher Spannungen noch nachvollziehen kann, auch wenn mir die tieferliegende Absicht verborgen bleibt, da bin ich von erfahrenen Journalisten enttäuscht. Von ihnen hätte ich nicht einen solch schnellen Schwenk zur Kriegsrhetorik erwartet, sondern auf mehr Einsicht in historische Vorgänge erhofft.

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